Hospizbewegung auf dem Weg in die Regelversorgung – Herausforderungen und Chancen identifiziert und reflektiert

Anlässlich der Mitgliederversammlung des Hospiz- und PalliativVerbandes Niedersachsen am 19.10.2016 in Syke haben die ca. 80 Delegierten die Entwicklung der Hospizbewegung in den letzten Jahrzehnten reflektiert und über die Rolle der Hospizdienste im Rahmen des Gesundheitssystems diskutiert.

Herr Dr. des. Sven Schwabe, Referent des Landesstützpunktes,  eröffnete den inhaltlichen Teil der Veranstaltung mit einem Impulsvortrag zum Bedeutungswandel der Ehrenamtlichkeit im öffentlichen Diskurs der Bundesrepublik. Er arbeitete heraus, dass das „Bürgerschaftliche Engagement“ im Laufe der letzten 30 Jahre Eingang in politische Steuerungsüberlegungen gefunden hat und in gesellschaftlichen Planungsprozessen eine wichtige Aufgabe in der allgemeinen Wohlfahrtsproduktion spielt. Das freiwillige Engagement der Bevölkerung habe sich – so die These des Referenten –  von einer Randerscheinung im Windschatten der großen Wohlfahrtsverbände zu einer vielversprechenden Antwort auf gesellschaftliche Krisendiskurse entwickelt.

Vor diesem Hintergrund wurde anschließend die Entwicklung der Hospizbewegung reflektiert, die sich von einer kleinen und relativ autonomen sozialen Bewegung zu einer organisierten, gut vernetzten und einflussreichen Institution mit eigenen Landesverbänden und einer bundesweiten Dachorganisation gewandelt hat. Mit dem Hospiz- und Palliativgesetz (HPG) habe die Hospizbewegung dann endgültig den Sprung in die Regelversorgung geschafft und ist zu einem förderungsfähigen Bestandteil der Versorgungslandschaft geworden. In moderierten Kleingruppen haben die Delegierten darüber diskutiert, wie sich diese Entwicklung in der alltäglichen Hospizarbeit niederschlägt und welche Chancen und Herausforderungen damit verbunden sind.

Als eine große Herausforderung sahen die Teilnehmenden die Gefahr, dass die ehrenamtliche Hospizarbeit von den anderen Akteuren des Versorgungssystems als eine kostenlose Dienstleistung instrumentalisiert werden. So haben Ehrenamtliche häufig das Gefühl, personelle Engpässe der professionellen Versorger (z.B. in Altenpflegeheimen) ausgleichen zu sollen. Außerdem bürge die zunehmende „Standardisierung“ der Ehrenamtlichen Arbeit zugleich die Gefahr, eigene Gestaltungsspielräume einzuengen.

Auf der anderen Seite konnte der finanzielle Spielraum vieler Hospizdienste durch das HPG vergrößert werden und eine stabile Koordinationsstruktur wurde etabliert. Den Ehrenamtlichen können dadurch bessere und vielfältigere Weiterbildungs-, Qualifikations- und Betreuungsangebote gemacht werden. Außerdem sei die öffentliche Wertschätzung und Anerkennung der ehrenamtlichen Sterbebegleitung gestiegen und auch der politische Einfluss der Hospizbewegung habe spürbar zugenommen.

Die Selbstreflektion der Hospizbewegung über die eigene Entwicklung und Rolle im hospizlich-palliativen Versorgungssystem hat viele Fragen und Denkprozesse in Gang gesetzt. Die Ankunft in der Regelversorgung wird zwar insgesamt positiv bewertet. Gleichzeitig gehen damit auch Gefahren und Herausforderungen einher. Diese durchaus ambivalenten Effekte mitzudenken und in die ehrenamtliche Praxis einfließen zu lassen, wird auch in Zukunft eine wichtige Aufgabe der Hospizbewegung als politischer Bewegung bleiben.